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Dienstag, 26. Juli 2016

Wie Sardinen in der Dose liegen sie am Strand

Eng aneinander am Strand - Warum nur? 
Es ist jedes Jahr das Gleiche: Kaum naht der Sommer, die Ferien und die warme Zeit, lockt die Sonne uns in den Urlaub. Wer sicher gehen will, hat bereits im Winter das südliche Quartier gebucht, wer lieber spekuliert und auf ein günstiges Last-Minute-Angebot setzt, düst zum Ferienschalter am Flughafen und schaut dort, was geht. Mit den Tickets in der Hand geht es dann voller Vorfreude zum Flughafen, wir reihen uns in die lange Schlange am Check-In-Schalter ein, schieben Koffer oder Tasche zentimeterweise nach vorne, bis wir endlich an der Reihe sind. Das Flugzeug ist - trotz seiner Größe - proppenvoll, der Sitznachbar macht sich breit und irgendwo plärrt immer ein Kleinkind. Doch das macht uns nichts, schliesslich geht es ja in den Urlaub, wir fliegen in Richtung Sonne und sind entspannt wie nie zuvor. Landet der Pilot den Flieger sicher am Ferienort, bekommt er dafür stürmischen Beifall. Ob er diesen vorne im abgeschotteten Cockpit überhaupt hören kann?

Bevor die sonnenhungrige Meute im Süden eintrifft, werden überall die letzten Vorbereitungen getroffen: Sämtliche unrentablen Lokale wechseln noch schnell den Besitzer, schliesslich gibt es genügend arbeitswillige und naive Kandidaten, die lange sämtlichen anderen Kandidaten auf "Deutschland sucht den Auswanderer" zugesehen haben und jetzt genau wissen, welche Fehler sie vermeiden müssen und glauben, dass Fernsehen als Vorbereitung für ein ernstes Business reicht. Jeder dieser Kandidaten glaubt, dass seine Idee diejenige ist, die GARANTIERT zünden wird - und muss hinterher oft genug zusehen, wie er am schnellsten nach der Pleite wieder zurück nach Deutschland kommt.

Sämtliche Tische an der Strandpromenade werden auf Hochglanz poliert und geputzt, manchmal bekommen sie sogar einen neuen Farbanstrich spendiert. Sind die Stühle frisch gepolstert und die letzten Kakerlaken aus der Küche verjagt, wird der Kühlschrank prall gefüllt und der Koch rauft sich die Haare, während er das aktuelle Angebot an Tapas vorbereitet, mit dem er sich selbst übertrumpfen und die Konkurrenz natürlich meilenweit hinter sich lassen möchte.

Bald kommt die Meute: Die Sonnenanbeter. Die dickbäuchigen Urlauber, für die Sandalen mit weissen Tennissocken modische Accessoires sind, die sich wunderbar am Strand tragen lassen. Die schneeweissen und rothaarigen Engländer, die schon nach kurzer Zeit am Strand wie ein gekochter Krebs aussehen und sich auf den Liegen trotzdem von der Sonne grillen lassen, als wären sie ein fettiges Steak, das auf einem heissen Stein in der Sonne brutzelt. Die all-Inklusive-Schnäppchenjäger, die das goldige RIU-Armband so stolz tragen, als wäre es ein superteures Geschenk der Liebsten, erstanden bei Tiffany's. Die Omis und Opis, ob mit Rollstuhl oder Rollator, die sich damit auf dem Trottoir so breit machen, als hätten sie das Pflaster darauf selbst verlegt.

Ist es Wochenende, wird diese Auswahl noch ergänzt: Dann kommen die tollen Latinos aus der Metropole, die hier ihren muskulösen und braungebrannten Körper vorführen. Schliesslich gilt am Stand wie überall: Sehen und gesehen werden. Jeder will sich präsentieren und zeigen, was man(n) hat. Jeder flirtet, was das Zeug hält, und wer sich nüchtern nicht traut, trinkt sich schon ein wenig Mut dazu an. Überhaupt wird getrunken und gefeiert, gelacht und getanzt. Männlein und Weiblein verabreden sich, allerdings ist nicht jedes Stelldichein erfolgreich, so dass sich wohl mancher enttäuscht im Wasser abkühlen muss. 

Dann gibt es noch mit den FKK-Touristen am FKK-Strandabschnitt eine ganz besondere Spezies: Hier dürfen sich alle so tummeln, wie sie von der Natur erschaffen wurden. Egal, wie sich jeder durch den Genuss von Fast-Food verschönert hat. Leider tummeln sich hier gar keine schönen Latinos, sondern nur reife und ältere Herren, deren Anhängsel wie eine vertrocknete Grillwurst anmutet. Sie gehen am Strand auf und ab, hoffen wohl, dass keiner bemerkt, wenn sie alle anderen so intensiv mustern, als müssten sie über deren Anzahl an Leberflecken Auskunft geben. Hier guckt jeder jeden an, auch wenn es so aussieht, als würde es sich nicht lohnen. Manche der FKK-Besucher wohnen wahrscheinlich dauerhaft hier, ihre Haut hat längst den ledrigen Braunton wie die Kroko-Taschen von Paris Hilton. Zwar gehöre ich selbst bald zu den 50+, doch hier am FKK-Strand fühle ich mich deplatziert. Ich gehe lieber weiter zum nächsten Beach-Kiosk und genehmige mir ein kühles Cervezza. Immerhin kriegen meine Augen hier auch etwas Angenehmeres zu sehen.

Warum fliegen eigentlich alle in den Süden, damit sie dort gemeinsam und zu Tausenden Urlaub machen? Oft genug wird schliesslich aus den geplanten Traumferien ein echter Alptraum: Der Strand ist da, ja, aber das Meer meilenweit entfernt. Oder die Sonne versteckt sich hinter den Wolken und lässt es dauerhaft vom Himmel regnen - obwohl doch Sonnenschein versprochen war. Vielleicht begann ja schon der Urlaub mit dem grössten aller Schrecken, wenn der Urlauber als letzter noch im Flughafen am Kofferband ausharrt, obwohl seit Stunden nichts mehr kommt. Doch wo ist dann der geliebte Louis-Vuitton-Koffer mit dem ach-so-nötigen Inhalt? Wie schön könnte der Urlaub sein, wären da nicht die anderen Urlauber, die zu Tausenden den Strand und das kleine Städtchen bevölkern. Dort, wo es von der Promenade direkt zum Strand geht, liegen sie dicht an dicht. So eng, das kaum ein paar Zentimeter Abstand zwischen den Handtüchern und Decken bleiben. Der Sand, aus dem der Strand besteht, den will schliesslich keiner haben, der stört doch nur und muss hinterher mühsam wieder aus den Zehen gereinigt und den Klamotten geschüttelt werden. Was? Kinder wollen Sandburgen bauen? Ach nee, lieber nicht: Der Sand hier ist dafür doch viel zu unhygienisch, das machen wir lieber zuhause im Sandkasten.

Ein irrer Duft von Kokosnuss-Oel, gepaart mit billiger Sonnencreme und stechendem Schweissgeruch liegt über allem in der Luft. Wer sich als echte Wasserratte ins spritzende Wasser werfen will, muss erst im Slalom durch den heissen Sand und um alle Handtücher herum bestehen.

Das Outfit der Strandurlauber ist auch die wahre Augenweide: Während sich die Damen noch richtig Mühe geben, tragen einige der Herren Shorts, die sie bestimmt von ihren Ahnen geerbt haben. Schliesslich sehen die Farben so aus, als lägen sie bereits seit 1950 damit am Strand herum. Die Jungs dagegen tragen unter ihren Badeshorts noch ihre Unterhosen. Ob ihnen sonst kalt ist? Selbst Menschen, die im richtigen Leben viel Wert auf modische Kleidung, schöne Hemden, attraktive Hosen, saubere Schuhe und eine tolle Krawatte legen, schaffen es anscheinend kaum, sich eine ebenso schicke Badeshort zu kaufen. Ob ihnen die Vorfreude auf den Urlaub die Sinne so vernebelt hat, dass sie beim Schlussverkauf blindlings auf dem Wühltisch zugegriffen haben und sich das erstbeste - leider aber nicht das erste Beste - Stück geschnappt haben?

Unter den Badegästen sind die Strandsteher eine ganz besondere Spezies: Sie stehen geduldig am Wasser, den ganzen Tag lang, harren dort aus, wie einst der Säulenheilige auf seiner Säule. Sie halten ihren dicken Bauch in die Sonne und halten Ausschau nach schönen Frauen, denen sie hinterher gucken können. Hey, so ein Strandsteher hat echt auch seine positiven Seiten: Er braucht den wenigsten Platz von allen. Wer mag, kann sich in seinen Schatten legen und ihn quasi als kostenlosen Sonnenschirm nutzen.

Alle zwei Minuten bietet ein Strandverkäufer so laut seine kühlen, jedoch völlig überteuerten Getränke und Erfrischungen an, als würde er sich die Seele aus dem Leib schreien. Sicherlich, der nächste Kiosk ist ja auch meilenweite - fünfzig Meter - entfernt. Wer will denn in dieser Hitze schon einen solch langen Weg auf sich nehmen? Da bezahlt Mann oder Frau doch gerne ein paar Cents mehr für ein eiskaltes Wasser.

Wer sich allerdings fragt, wo sich eigentlich die vermögenden und hochgelobten Individualtouristen herumtreiben, den muss ich leider enttäuschen. Die Playa del Ingles, Maspalomas oder der Ballermann auf Mallorca haben so viel mit Individualtouristen gemeinsam wie ein Kamel mit Eierlegen. Einfach nichts! Hier gilt, ähnlich wie in der Türkei, nur ein Motto: Alles all Inklusive, günstig, fressen und saufen. Kultur? Ach nee. Ist doch viel zu anstrengend, hier im Urlaub.

Dann lieber ins Wasser, zur Abkühlung, schliesslich ist das Meer gross, der Schwimmer hat Platz und kann sich vorkommen, als sei er alleine. Doch weit gefehlt. Auf der Wasseroberfläche dümpelt ein öliger Film, ein Gemisch aus Cremes und Sonnenoel, der eigentlich von Greenpeace abgesaugt werden müsste. Wer mag, könnte sich gleich das eigene Fett mit absaugen lassen. Überhaupt ist noch nicht einmal das Wasser kühl, sondern eher, wie man bei uns in der Schweiz sagen würde: seich-warm. Vielleicht haben ja auch Hunderte von Badegästen den Weg zur Toilette nicht gefunden, ihr kleines Geschäft im Wasser verrichtet, so dass sich dessen Temperatur der Körpertemperatur angepasst hat? Überhaupt wüsste ich gerne, wo hier die Toilette ist - und wer die blaue Flagge für den besonders sauberen Strand vergibt.

Aber alles in allem ist es doch ein schöner, entspannender Sommertag am Strand. Oder?

"Vielleicht hätte ich in diesem Jahr lieber zuhause bleiben sollen, wäre dort im See geschwommen und hätte mich mit meinen Freunden zu einer tollen Grillparty getroffen". Sagt sich wohl mancher. Statt dessen der Urlaub im Süden - warum machen wir das alle bloss?

Sind die gebuchten Urlaubstage endlich vorbei, reisen die Feriengäste angespannt und nur wenig erholt wieder nach Hause. Im Flugzeug lästern alle über die Handtücher auf den Strandliegen - und dass man ganz SICHER und BESTIMMT im nächsten Jahr zu Hause bleibt. Und sich nie, nie wieder an einen überfüllten Strand legt.Sicher nicht ;-)

      


Ort: kann überall sein, ob Mallorca, Costa Brava, Rimini, Florida oder wie in meinem Beispiel Gran Canaria. (PS. Ich muss aber auch noch richtigstellen, dass es auf Gran Canaria genauso wie z.b. auch auf Mallorca noch zahlreiche ruhige, unberührte Strandabschnitte gibt. Man muss sie nur finden).

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